Anlässlich seines 40-jährigen Dienstjubiläums interviewte das Online-Portal "Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz" unseren Schulleiter Joachim Paul über die Entwicklung unserer Schule

Seit Beginn der Ganztagsschulentwicklung in Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 ist die Regionale Schule in Wörth dabei. Mit ihrem rhythmisierten Modell der Ganztags- klassen machte sie gute Erfahrungen und war so Vorrei- ter für viele andere Schulen. Joachim Paul berichtet im Gespräch mit der Online-Redaktion, wie und warum er Schulleiter geworden ist, über Veränderungen in der Schulentwicklung in den letzten 40 Jahren und darüber, worauf er besonders stolz ist. Das Interview im Online-Portal
Online-Redaktion: Herr Paul, Sie konnten unlängst Ihr 40-jähriges Dienstjubiläum begehen. Warum sind Sie Schulleiter geworden?
Paul: Im Jahre 1971 begann ich mit meiner Tätigkeit als Lehrer an einer Grund- und Hauptschule in Wörth. Von Anfang an habe ich gerne auch zusätzliche Aufgaben übernommen: Ich war Verbindungslehrer, Vorsitzender von Fachkonferenzen, Personalrat, später auch Bezirkspersonalrat und ich habe mich kommunalpolitisch engagiert. Zudem war ich lange Jahre Vorsitzender der GEW im Kreis Germersheim. Mitte der achtziger Jahre sprach mich überraschend der Schulrat an – nach einer Beurteilung durch meine Schulleiterin - ob ich nicht in einer kleineren Grundschule Schulleiter werden wollte. Da ich große Freude am Beruf und Interesse hatte, Führungsaufgaben zu übernehmen, sagte ich zu und wurde 1984 – nach der entsprechenden Überprüfung - Schulleiter an einer Grundschule im Kreis Germers- heim, in Freckenfeld. Die Arbeit dort hat mir sehr gefallen, weil ich einiges bewegen konnte. Es gab eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen – an der Schule waren ausschließlich Lehrerinnen – und mit den Eltern. Im Jahr 1990 ging dann meine ehemalige Schulleiterin der Hauptschule in Wörth in Ruhestand. Man fragte mich von verschiedenen Seiten, ob ich nicht Interesse hätte, an diese Schule als Schulleiter zurückzukehren. Es war für mich keine Frage, an die Schule zurückzu- gehen, an der ich meine Laufbahn begonnen hatte und dort an einer größeren Schule Dinge umzusetzen, die ich an einer kleineren bereits erfolgreich praktiziert hatte. Unterrichtet habe ich vor allem Deutsch und Mathematik als zwei Hauptfächer sowie Geschichte, Sozialkunde und Sport und manchmal auch evangelische Religion.
Online-Redaktion: Wie sieht bei Ihnen ein normaler Schultag aus?
Paul: Einen normalen Schultag gibt es eigentlich nicht. Es gibt zwar eine Tages- planung, die aber meist durch aktuelle Erfordernisse über den Haufen geworfen wird. Dann komme ich oft erst am Abend dazu, das aufzuarbeiten, was tagsüber gelaufen ist. Kurz vor Schuljahresende sind es vor allem Elterngespräche, Aufnahmen, Schulwechsel, Statistiken sind zu machen und die Abschlussfeier sowie das große Schulfest müssen vorbereitet werden. Am liebsten bin ich nach wie vor im Unterricht. Das ist allerdings nur noch wenig der Fall. Im vergangenen Schuljahr hatte ich lediglich vier Stunden. Deshalb gehe ich, wenn Lehrkräfte ausfallen, gern in die Klassen, um den Kontakt zu den Kindern nicht abbrechen zu lassen. Der Tag ist in der Regel damit angefüllt, dass Schülerinnen und Schüler sowie Kolleginnen und Kollegen mit ihren Problemen zu mir kommen. Hinzu kommen der Schulträger, außerschulische Institutionen und andere mehr, die mit mir sprechen wollen. Außerdem versuche ich trotz meiner langjährigen Dienstzeit, auf Tagungen und Fortbildungen zu gehen.
Online-Redaktion: Wie hat sich aus Ihrer Sicht Schule in diesen 40 Jahren verändert und welche Veränderungen stehen vor Ihnen?
Paul: Verändert haben sich vor allem die Kinder. Vor 20/30 Jahren habe ich in Klassen mit über 40 Schülerinnen und Schülern unterrichtet. Obwohl es auch damals Problemfälle gab, sind heute manchmal schon 25 Kinder in einer Klasse zu viel. Das liegt vor allem daran, dass sich unsere Gesellschaft gewandelt hat. Die Schule ist heute oft das Auffangbecken für familiäre Probleme, die zu Hause nicht geregelt werden. Darüber hinaus haben die modernen Medien Schule heute total verändert.
Zugleich hat sich Schule heute viel mehr nach außen geöffnet. Bei uns sind offene Türen und eine enge Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern gang und gebe. Die Akzeptanz bei den Eltern ist aber eine andere geworden. Das betrifft vor allem die Hauptschule, die von vielen nicht mehr akzeptiert wird. Zudem ist die gesamte Schulentwicklung großen Veränderungen unterworfen, die auch notwendig geworden sind: von der Hauptschule und der Regionalen Schule über die Realschule Plus, die gegenwärtig eingeführt wird, bis hin zur Ganztagsschule. Seit Beginn der Ganztagsschulentwicklung in Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 sind wir dabei. Es gab für die Einführung der Ganztagsschule einstimmige Beschlüsse im Elternbeirat, bei der SV und in der Gesamtkonferenz. Im Kollegium war klar, dass alle Lehrerinnen und Lehrer in die Ganztagsschule eingebunden sind. Die Eltern wurden befragt und wir konnten dann mit 200 Schülerinnen und Schülern starten. Dabei haben wir von Anfang gute Erfahrungen mit dem rhythmisierten Modell der Ganztagsklassen gemacht und waren Vorreiter für viele andere Schulen. Die Veränderungen betreffen auch den Unterricht selbst. Als junger Lehrer kannte ich eigentlich nur den frontalen Unterricht mit gelegentlicher Gruppen- oder Partnerarbeit über die 45 Minuten. Heute stehen uns zum Glück für einen interessanten Unterricht andere Möglichkeiten und Methoden zur Verfügung. Dabei war es auch sehr wichtig, dass wir damit schon als Regionale Schule angefangen haben und dann als Klippert-Schule hier weiter gemacht haben.
Online-Redaktion: Wie ist die Zusammenarbeit mit den außerschulischen Partnern?
Paul: Durch die Ganztagsschule ist diese Zusammenarbeit deutlich intensiviert worden, insbesondere mit Vereinen, mit Privatpersonen, aber auch mit Studieren- den. Bei uns gibt es am Nachmittag neben den Arbeitsgemeinschaften ein großes Angebot an Förderunterricht, den wir für alle Klassen in den Hauptfächern Mathe- matik, Deutsch und Englisch anbieten, sowohl für die Kinder, die im Hauptschulkurs sind als auch für die im Realschulkurs. Für diejenigen, die nach der 10. Klasse ins Gymnasium gehen wollen, wird Förder- bzw. Forderunterricht angeboten. Dafür holen wir uns größtenteils Studentinnen und Studenten, die zum Teil bei uns ihr Praktikum absolvieren. Für die Arbeitsgemeinschaften wurden ebenfalls Leute von außen gewonnen, die sich angeboten oder mit denen wir von uns aus Kontakt aufgenommen haben.
Online-Redaktion: An Ihrer Schule gibt es zahlreiche interessante Projekte wie z. B. das Netzwerk ökologisch profilierter Schulen oder
die Schülerfirmen. Was beinhalten diese Projekte?
Paul: Anlass für das Netzwerk war das Energieeinsparprogramm an der Schule. Wir haben vor einigen Jahren mit unserem Schulträger – der Stadt Würth – geschaut, wo man Strom und Wasser einsparen kann. Ein Mitarbeiter der Stadt hat dann gemeinsam mit den Schulen das Programm umgesetzt. So konnten wir im Laufe der Jahre einige Tausend Euro einsparen. Wir als Schule erhielten aus den Einsparungen einen prozentualen Anteil, aus dem wir unter anderem unsere Solaranlage finan- zierten. Hinzu kamen Schulgarten, Mülltrennung usw. Im Laufe der Jahre entstanden einige Schülerfirmen, in denen Schülerinnen und Schüler der 9. und 10 Klassen tätig sind. Eine ist unsere Cycle-Crew – eine Fahrradfirma – die schon länger besteht. Seit zwei Jahren gibt es das Cafe Delight, das an zwei Nachmittagen, an denen AGs stattfinden, Schülerinnen und Schülern Snacks oder Pizzas anbietet, die in Zusammenarbeit mit der Küche zubereitet werden. Diese Schülerfirma arbeitet wie eine normale Firma. Sie legen ihre Bilanzen vor, halten Versammlungen der Aktionäre ab usw.
Online-Redaktion: Wettbewerbe haben an Ihrer Schule einen festen Platz. Was verbirgt sich hinter “Mathematik ohne Grenzen“?
Paul: Dieser Wettbewerb läuft schon einige Jahre, nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in allen Bundesländern und darüber hinaus in anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich. Das war zunächst ein Wettbewerb, der früher nur für die Gymnasien ausgeschrieben war. Vor einigen Jahren hat man dann auch die Realschulen mit ins Boot genommen. Bei diesem Wettbewerb geht es vor allem darum, dass Schülerinnen und Schüler innerhalb einer Klasse verschiedene Aufgaben lösen, die Teamarbeit erfordern. Eine Aufgabe ist in einer Fremdsprache – Englisch, Französisch oder Italienisch gestellt und muss auch in einer dieser Sprachen bearbeitet und gelöst werden. Die Klasse entscheidet, welche Aufgabe welche Gruppe zu lösen hat. In diesem Wettbewerb konnten wir als Realschule schon einige Erfolge erreichen, auf die ich stolz bin. Dieses Jahr belegte die Klasse 10d den zweiten Platz bei den Realschulen, nachdem letztes Jahr eine 10. Klasse sogar den 1.Platz erreicht hatte.
Online-Redaktion: Was ist das Besondere an Ihrer Schule und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Paul: An unserer Schule gibt es ein sehr gut zusammenarbeitendes und engagiertes Kollegium, das bereit ist, viele Dinge zu unternehmen, die nicht nur den Schulalltag betreffen, sondern vor allem auch die Schulentwicklung. Wir haben uns zum Beispiel am Klippert-Programm beteiligt, bei dem es um die systematische Reform der Unterrichtsarbeit geht. Im Zentrum stehen dabei Methodentraining, Kommuni- kationstraining, Teamentwicklung sowie die konsequente Förderung des eigen- verantwortlichen Arbeitens und Lernens im alltäglichen Fachunterricht. Jede Lehrkraft war und ist verpflichtet, die Schulungen mitzumachen. Das ist bisher auch erfolgt. Dieses Engagement wirkt sich auf das Klima in der Schule aus. Obwohl die Schülerzahlen vielerorts rückläufig sind, konnten wir in den letzten Jahren unsere Zahlen stabil halten und werden auch im kommenden Schuljahr vierzügig sein, was für uns spricht. Wir sind die ganzen Jahre durchgehend integrativ geblieben und haben keine abschlussbezogenen Klassen gebildet – wie manche anderen Regionalschulen. Inzwischen kommen auch aus Baden-Württemberg Schülerinnen und Schüler zu uns, weil es dort das integrierte System mit den Ganztagsklassen nicht gibt.
Was die Zukunft betrifft, möchten wir gern IGS werden. Dafür kämpfe ich mit meinem Team schon die ganze Zeit. Letztes Jahr sind wir leider nicht zum Zug gekommen – sicher nicht aus pädagogischen Gründen! Wir waren sehr gespannt, ob wir in dieser Runde dabei sein würden. Das wäre so der Schlusspunkt unserer Schulentwicklung: von der Hauptschule über die Regionalschule zur IGS.
Es hat geklappt: Anfang Juli fiel die Entscheidung, wir haben eine Option für die Integrierte Gesamtschule erhalten.
Joachim Paul ist seit 40 Jahren im Schuldienst. Er studierte an der Pädagogischen Hochschule Kaiserslautern und Landau. Seinen Dienst trat er 1971 an der Dorschbergschule in Wörth an, wo er auch sein zweites Staatsexamen ablegte. Von 1984 bis 1990 war er an der Grundschule in Freckenfeld tätig. Danach ging er zurück nach Wörth und wurde Schulleiter, zunächst an der Hauptschule und 1992 an der Regionalen Schule in Wörth.
Autor: DZ Online-Redaktion - Ursula Münch